Die fünf Kriterien zur Bewertung von F&E-Tätigkeiten nach dem Frascati-Handbuch

Was sind die fünf FuE-Kriterien?

Damit Ihr Projekt oder Vorhaben nach dem Forschungszulagengesetz als förderfähig eingestuft wird, muss es sich bei diesem Projekt oder Vorhaben um eine FuE-Tätigkeit handeln. Hierzu bewertet die Bescheinigungsstelle Forschungszulage (BSFZ) alle beantragten Projekte unter anderem nach 5 Kriterien. Diese werden im sogenannten Frascati-Handbuch definiert und explizit für die Beurteilung von FuE-Tätigkeiten durch die BSFZ herangezogen. Aus diesem Grund finden sich in den Fragestellungen des digitalen Antrags zur Bescheinigung auch Fragen wieder, die die Erfüllung der 5 FuE-Kriterien überprüfen. Um eine positive Begutachtung durch die BSFZ zu erreichen, muss Ihr Projekt oder Vorhaben alle 5 FuE-Kriterien erfüllen:

  • neuartig sein bzw. auf die Gewinnung neuer Erkenntnisse abzielen
  • schöpferisch sein bzw. auf originären, nicht offensichtlichen Konzepten und Hypothesen beruhen
  • in Bezug auf das Endergebnis ungewiss sein
  • systematisch durchführbar sein bzw. einem Plan folgen und budgetierbar sein
  • zu Ergebnissen führen, die übertragbar/reproduzierbar sind

Was steckt hinter den Kriterien?

Auf den ersten Blick scheinen diese 5 Kriterien durchaus einen hohen Anspruch an die Förderfähigkeit von FuE-Projekten zu stellen. In der genauen Beschreibung dieser Kriterien lässt sich allerdings relativ schnell erkennen, dass diese auch auf kleine Projekte unabhängig der Unternehmensgröße zutreffen. Dabei sind diese Kriterien auch branchenspezifisch zu interpretieren. Im Folgenden klären wir, worauf es bei den 5 Kriterien genau ankommt.

Ungewissheit

Die Ungewissheit stellt wohl das anspruchsvollste Kriterium dar. Hiermit ist insbesondere die Ungewissheit gemeint, ob und mit wie viel wissenschaftlichem (nicht zwingend technischem) Aufwand das Endergebnis erreicht werden kann.

  • Beispielsweise wird für die Einordnung einer Prototypentwicklung als FuE oder Nicht-FuE insbesondere dieses Kriterium herangezogen. Die Entwicklung eines Prototyps zur Erprobung technischer Modelle und Konzepte hinsichtlich der ungewissen Anwendbarkeit, aber auch zur Ausarbeitung von Produktionsvorschriften, Anleitungen bzw. Handbüchern fällt in die FuE-Definition. Die Entwicklung eines Prototyps zum Erwerb technischer oder rechtlicher Zertifizierungen unterliegt keiner wissenschaftlichen Ungewissheit und würde von der BSFZ ausgeschlossen werden.
  • Ein weiteres Beispiel ist die Konstruktion eines Hauses. Bei einem Vorgehen nach DIN-Norm unterliegen die Tätigkeiten keiner wissenschaftlichen Unsicherheit und werden daher nicht gefördert. Bei Verwendung komplexer Strukturen oder bei Anwendung eines neuen Betons, lässt sich nicht zwangsweise abschätzen, ob die Konstruktion erfolgreich durchgeführt werden kann. Die Beseitigung oder Klärung einer solchen wissenschaftlichen Ungewissheit oder Unsicherheit könnte in diesem Fall zur Erfüllung dieses Kriteriums führen.

Dem kommt zu Gute, dass die Bewertung eines FuE-Projektes im Rahmen der Forschungszulage unabhängig vom Projektergebnis ist, also ob bspw. ein Produkt erfolgreich entwickelt werden konnte oder nicht. Allerdings werden diese Aspekte unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten bewertet. Die unklare Finanzierung eines Projektes allein stellt also ohne wissenschaftlichen Bezug keine ausreichende Ungewissheit dar. Folgende Fragen können bei der Einschätzung der Ungewissheit hilfreich sein:

  • Stand zu Beginn des Projektes das Ergebnis bereits fest? War es unklar, ob und wie das Ergebnis erreicht werden konnte?
  • Gab es Erkenntnisse im Projekt, die vorab nicht offensichtlich waren?
  • Existierte ein Risiko, das zum Scheitern führen könnte bzw. waren vorab bereits wissenschaftliche Abbruchkriterien absehbar? (Beispiel: Kann der gewünschte Messwert mit der eingesetzten Sensorik überhaupt oder genau genug erfasst werden?)
  • Konnte der Kosten- und Zeitaufwand aufgrund potentieller wissenschaftlicher Hindernisse, die nicht gängiger Routine entsprechen, vorher nicht präzise abgeschätzt werden?

Lesen Sie zur Abgrenzung von Routinetätigkeiten auch unseren Blog-Artikel zur Unterscheidung von Experimenteller Entwicklung und Verbesserung als Routinetätigkeit.

Neuartigkeit

Die Neuartigkeit eines Projektes oder Vorhabens ist gegeben, sobald im Rahmen des Projektes neues Wissen generiert werden konnte. Im Gegensatz zu Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten bezieht sich dieses neue Wissen für Unternehmen allerdings nur auf den aktuellen Erkenntnisstand in der jeweiligen Branche und nicht zwingend auf allgemeingültig neue Erkenntnisse. Dabei müssen die neuen Erkenntnisse auch nicht unbedingt zu einem Produkt oder Verfahren führen, die anderen Produkten oder Verfahren deutlich voraus sind (→ Hierin liegt auch eine Unterscheidung zu vielen anderen Förderprogrammen in Deutschland). Die Lösung oder das Wissen sollten in der Form nur noch nicht branchenweit genutzt worden sein und für das antragstellende Unternehmen selbst neu sein. Dies unterscheidet ein FuE-Projekt im Wesentlichen von Kopien, Nachahmungen und Reversed Engineering. Es erlaubt Unternehmen auch Projekte fördern zu lassen, die auf Lösungen abzielen, um:

  • bestehende Patente mit einem alternativen Ansatz zu umgehen
  • Lösungen oder Technologien mit alternativen Ansätzen zu realisieren, die ansonsten durch Konkurrenten geheim gehalten werden oder nicht frei zugänglich sind
  • systematisch die Einsatzmöglichkeiten eines Verfahrens oder Prozesses mit dem Ziel neuer Anwendungen oder Einsatzgebiete zu untersuchen

Schöpferisches Konzept

Zur Erfüllung dieses Kriteriums muss ein FuE-Projekt das Ziel haben, den aktuellen Wissensstand durch ein neues Konzept, eine Idee, eine Strategie oder Hypothese zu erhöhen. Dies ist aber oftmals zwangsläufig der Fall, sobald das Ergebnis eines Projektes ein Produkt oder Verfahren ist, dass in dieser Form noch nicht existiert. Auch eine noch nicht angewendete Methode oder Herangehensweise an ein Problem erfüllt dieses Kriterium bereits. Ein schöpferisches oder originäres FuE-Projekt grenzt sich somit von üblichen Routinetätigkeiten im Unternehmen ab. Folgende Fragen unterstützen die Beurteilung eines Projektes nach diesem Kriterium:

  • Grenzten sich die Arbeiten von routinemäßigen Tätigkeiten im Unternehmen ab? Gab es Probleme oder Anforderungen, die komplexer waren als üblich?
  • Mussten für das Unternehmen unübliche Methoden oder Wege der Problemlösung durchgeführt werden?
  • Konnte durch diese Maßnahmen neues Wissen generiert werden?
  • War das Mitwirken eines wissenschaftlichen Mitarbeiters notwendig, um das Vorhaben zu meistern?

Systematik

Die notwendige Systematik eines Projektes erfordert einen festen Plan, nachdem sich das Projekt bspw. in Verfahrensschritte untergliedern lässt oder sich (Zwischen-)Ergebnisse dokumentieren lassen. Diesen Etappen lässt sich auch klar abgegrenzt vom übrigen Tagesgeschäft ein Budget zuordnen. Insbesondere bei kleineren Projekten setzt dies aber nicht unbedingt eine umfangreiche Berichterstattung voraus. Es ist bereits ausreichend, wenn bspw. ein Mitarbeiter eine projektbezogene (Teil-)Aufgabe für die Lösung einer Problemstellung erhalten hat und diese dokumentiert wurde. Bspw. grenzt die Systematik als Kriterium FuE-Projekte von reinen Trial-And-Error-Methoden ab. Für eine Ersteinschätzung ist es dabei hilfreich, sich folgende Fragen zu stellen:

  • Gibt es einen Arbeits- oder Ablaufplan zum Projekt? Lässt sich das Projekt in Teilaufgaben bzw. Teilschritte gliedern?
  • Kann diesen Teilschritten ein bestimmter Arbeitsaufwand für die Problemlösung zugeordnet werden?
  • Kann diesen Teilschritten ein bestimmter Zweck und eine Finanzierungsquelle zugeordnet werden?
  • Wurde diese Zuweisung in einer bestimmten Art und Weise dokumentiert?

Reproduzierbarkeit

Dieses Kriterium soll einfach ausgedrückt nur gewährleisten, dass die zuständigen Forscher und Entwickler ihre Arbeiten nicht im Kopf durchgeführt bzw. nur in ihren eigenen Unterlagen zu Papier gebracht haben. Sobald im Projekt Dokumentationen, Berichte, Zeichnungen, Tabellen, Modelle etc. erstellt wurden, die anderen Personen (bspw. auch innerhalb einer Arbeitsgruppe) zugänglich sind, ist dieses Kriterium in der Regel bereits erfüllt.

Allerdings wird dieses Kriterium nicht mit dem Zwang zur Veröffentlichung der Ergebnisse gleichgesetzt. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass Sie Ihre Ergebnisse bspw. durch Patente schützen lassen können und über die Grenzen Ihres Unternehmens hinaus geheim halten können.

Welche dieser Kriterien muss mein Projekt bzw. mein Vorhaben erfüllen?

Die Bescheinigungsstelle wird Ihr Projekt grundsätzlich nach allen 5 Kriterien bewerten und alle Kriterien müssen erfüllt sein, damit Sie eine positive Bescheinigung erhalten können.

Beispiel:

Die Designphase für die Gestaltung eines Gehäuses für ein Elektronikgerät in der Produktentwicklung folgt oftmals einem klaren Plan (systematisch), wurde in dieser speziellen, originären Form vorher noch nicht umgesetzt (schöpferisch) und das erlangte Wissen lässt sich auf andere Produkte übertragen (reproduzierbar). Jedoch handelt es sich hierbei nicht zwingend um eine FuE-Tätigkeit. Insbesondere bei einer rein künstlerischen Gestaltung (bspw. zu Marketingzwecken) lassen sich die technische Ungewissheit sowie die Neuartigkeit nur schwer argumentieren.

Sollte das Gehäuse allerdings eine komplexe funktionale Aufgabe übernehmen, bspw. indem sehr viel Wärme aus darunterliegenden elektronischen Bauteilen abgeführt werden muss, kann sich eine technische Ungewissheit ableiten lassen. Sobald zu Beginn des Projektes die Frage gestellt werden musste, ob die sehr hohe Wärmeabfuhr des Gehäuses mit bekannten Konstruktionen oder Materialkombinationen überhaupt erreicht werden kann, lässt sich die technische Ungewissheit durchaus argumentieren.

Mussten sich die Forscher/Entwickler bei dem Design des Gehäuses zusätzliches Wissen über das „Schema F“ hinaus herleiten, sich aneignen oder anwenden ist dies ein Indiz für die Neuartigkeit des Projektes. Wurden unternehmensintern neue Konstruktionen oder Materialkombinationen für das Gehäuse angewendet, die so identisch in der Branche noch nicht eingesetzt wurden, so lässt sich auch eine Neuartigkeit argumentieren. Die fünf FuE-Kriterien wären somit erfüllt.

Fazit

Auch wenn die FuE-Kriterien in der jeweiligen Kurzdefinition einen sehr hohen Anspruch vermuten lassen, so sind die Förderkriterien jedoch in vieler Hinsicht niedriger als bei anderen Förderinstrumenten in Deutschland, sodass deutlich mehr Projekte für die Forschungszulage förderfähig sein sollten. Wenn Sie bei der Beurteilung Ihrer Projekte nach den fünf Kriterien Fragen haben oder Unterstützung benötigen, sprechen Sie uns bitte jederzeit an.

Autor: Dr. Markus Busuttil

Dr. Markus Busuttil ist Gründer und Geschäftsführer von Busuttil & Company. Er hat über 8 Jahre Erfahrung in der Beratung zur steuerlichen Forschungsförderung in Großbritannien gesammelt, darunter über 5 Jahre bei Deloitte. Er unterstützte Mandanten aus der Industrie sowie multinationale Gruppen und Private Equity Funds. Markus Busuttil studierte Maschinenbau in Hannover und Wales. Nach erfolgreichem Studienabschluss folgte die Promotion an einem kollaborativem Forschungszentrum zwischen der University of Birmingham und der Firma Rolls-Royce. Heute konzentriert sich sein Team aus Ingenieuren, Projektmanagern und Betriebswirten darauf, Kunden bei der Beantragung der Forschungszulage zu unterstützen.

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