Die Unterschiede zwischen Experimenteller Entwicklung und Verbesserung als Routinetätigkeit

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Sicher fragen auch Sie sich, ob Ihr Projekt förderfähig ist im Sinne der steuerlichen Forschungszulage. Besonders Unternehmen im Mittelstand unterschätzen oft ihre eigene Entwicklungstätigkeit. Um Anspruch auf Förderung nach dem Forschungszulagengesetz zu haben, müssen Projekte stets einer der drei folgenden Kategorien zugeordnet werden können: Grundlagenforschung, industrielle Forschung oder experimentelle Entwicklung. Für die meisten Mittelständler ist die Kategorie der experimentellen Entwicklung die Relevanteste. Diese ist leichter zu erfüllen und begründet einen Anspruch auf die Forschungszulage. Aus unserer täglichen Praxis wissen wir, dass es sich immer lohnt, die interne Forschung und Entwicklung einem fachmännischen Screening zu unterziehen.

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Experimentelle Entwicklung – Definition und Erklärung

Wörtlich genommen ist der Begriff „experimentelle Entwicklung“ etwas irreführend. Leicht könnte man daraus ableiten, dass dafür zwangsläufig Experimente im Labor durchgeführt werden müssen, was jedoch nicht stimmt.

Und besser zu verstehen, welche Projekte diese Kategorie fallen, sehen wir uns zunächst die Begriffsdefinition an. Der Begriff „experimentelle Entwicklung“ wird nicht im Forschungszulagengesetz definiert, sondern in der VERORDNUNG (EU) Nr. 651/2014 DER KOMMISSION vom 17. Juni 2014. Hier heißt es:

„Experimentelle Entwicklung“: Erwerb, Kombination, Gestaltung und Nutzung vorhandener wissenschaftlicher, technischer, wirtschaftlicher und sonstiger einschlägiger Kenntnisse und Fertigkeiten mit dem Ziel, neue oder verbesserte Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen zu entwickeln. Dazu zählen zum Beispiel auch Tätigkeiten zur Konzeption, Planung und Dokumentation neuer Produkte, Verfahren und Dienstleistungen.“ 

Bemerkenswert ist, dass die Definition von vorhandenen wissenschaftlichen, technischen, Kenntnissen und Fertigkeiten spricht, also nicht zwangsläufig neuem Wissen. Damit ist die technologische Schwelle eines Vorhabens deutlich niedriger im Vergleich zur Grundlagenforschung oder der Industriellen Forschung. Es reicht von daher, wenn man in einem Projekt vorhandenes Wissen kombiniert, gestaltet oder nutzt.

Weiterhin heißt es in der Definition: „Die experimentelle Entwicklung kann die Entwicklung von Prototypen, Demonstrationsmaßnahmen, Pilotprojekte sowie die Erprobung und Validierung neuer oder verbesserter Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in einem für die realen Einsatzbedingungen repräsentativen Umfeld umfassen, wenn das Hauptziel dieser Maßnahmen darin besteht, im Wesentlichen noch nicht feststehende Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen weiter zu verbessern.“

Man geht noch sogar einen Schritt weiter, da die Entwicklung oder der Bau von Prototypen für einige Industrien recht teuer ist z.B. für ein neues Atomkraftwerk oder ein neuer Flugzeugträger. Weshalb die experimentelle Entwicklung auch „die Entwicklung von kommerziell nutzbaren Prototypen und Pilotprojekten einschließt, wenn es sich dabei zwangsläufig um das kommerzielle Endprodukt handelt und dessen Herstellung allein für Demonstrations- und Validierungszwecke zu teuer wäre.“
Hier sollte man jedoch Acht geben, dass ein solches Projekt nicht als „Auftragsforschung“ für einen Kunden durchgeführt wird.

Welche Aktivitäten sind nicht förderfähig im Rahmen der experimentellen Entwicklung?

In unseren Gesprächen mit F&E-Leitern wird eine Frage besonders oft gestellt: „Was ist der Unterschied zwischen Experimenteller Entwicklung und routinemäßiger Entwicklung bzw. Engineering?“ Hierzu heißt es in der AGVO: „Die experimentelle Entwicklung umfasst keine routinemäßigen oder regelmäßigen Änderungen an bestehenden Produkten, Produktionslinien, Produktionsverfahren, Dienstleistungen oder anderen laufenden betrieblichen Prozessen, selbst wenn diese Änderungen Verbesserungen darstellen sollten.“

Nehmen wir z.B. die Entwicklung einer neuen metallischen Legierung. Hierzu werden im Labor neue Materialkombinationen zusammengestellt und in einem Testanguss zu Proben gegossen. Diese Proben werden dann in einem Zugversuch auf Ihre Zugfestigkeit getestet und zur metallurgischen Untersuchung im Elektronen-Raster-Mikroskop untersucht. Sowohl der Anguss, sowie der Zugversuch aber auch die mikroskopische Analyse sind “Routinetätigkeiten”. Werden diese Analysen nur zur Qualitätssicherung eingesetzt, fallen sie nicht unter die Experimentelle Entwicklung und sind demnach nicht förderfähig.

Warum sind einige Routineaufgaben förderfähig?

Die Förderfähigkeit einer Tätigkeit leitet sich nicht daraus ab, ob diese Tätigkeit als solche Routine oder besonders „neuartig“ oder schwierig ist. Ausschlaggebend für eine Förderfähigkeit ist das Ziel, dem diese Tätigkeit dient, sowie die Ungewissheit des Ergebnisses des Vorhabens und nicht der einzelnen Aufgabe!

Ein normierter Zugversuch wird verlässlich Ergebnisse liefern. Ob diese Ergebnisse jedoch nützlich sind und die neue Legierung die gewünschten Eigenschaften hat, ist das entscheidende Merkmal der Ungewissheit. Derselbe Zugversuch im Rahmen des Qualitätsmanagements zum Monitoring der Produktionsqualität ist nicht förderfähig, weil das Ergebnis keiner Ungewissheit unterliegt und Teil eines Routine-Prozesses ist.

Die gleiche Logik ist bei der Unterscheidung zwischen dem Bau von Prototypen und Vorserien anzuwenden. Prototypen werden benötigt, um zu untersuchen, ob technologische Unsicherheiten im Rahmen eines Entwicklungsprozesses gelöst wurden. Oder um das Verhalten eines Systems in der realen Umgebung zu untersuchen, weil sich dieses Systemverhalten nicht simulativ replizieren lässt. In vielen Industrien ist es üblich, eine Vorserie zu produzieren, um eine Robustheit eines Prozesses zu demonstrieren oder um mehrere Demonstrationsprodukte zu fertigen, die dann durch eine externe Partei für Ihren Einsatz zertifiziert werden.

Ähnlich verhält es sich mit der konstruktiven Konstruktion eines Hauses. Ein Haus kann in der Tat neuartig oder einzigartig sein. Eine Planung und Auslegung nach DIN-Norm wäre eine Routineaufgabe und nicht förderfähig. Wenn man jedoch eine sehr komplexe Struktur entwirft und zum Bau dieser Struktur einen neuen Beton verwenden muss, der bisher nicht angewendet wurde, dann könnte die Untersuchung, inwieweit dieser neue Beton den Anforderungen genügt, als Experimentelle Entwicklung gewertet werden.

Schlussfolgerungen zur experimentellen Entwicklung

Die Grenze zwischen experimenteller Entwicklung und routinemäßiger Entwicklung sowie der Vorserienentwicklung lässt sich nur schwer definieren. Denn die Unterscheidung zwischen diesen beiden Kategorien setzt ingenieurtechnisches Urteilsvermögen voraus. Nur mit dem fachlichen Wissen und Erfahrung in Forschung und Entwicklung lässt sich bestimmen, wann genau das Element der Neuartigkeit gegeben ist. Ist das Ergebnis einer Entwicklungstätigkeit ungewiss, oder handelt es sich um eine Routineaufgabe mit erwartbarem Ergebnis?

Wenn Sie bei der Evaluierung Ihrer F&E-Projekte zu dieser Frage Unterstützung benötigen, sprechen Sie uns bitte jederzeit an. Sowohl der Aspekt der Neuartigkeit sowie der Ungewissheit sind zwei der 5 F&E-Kriterien, die im Frascati-Handbuch definiert werden und die jeweils Ihre Anwendung finden müssen für ein Projekt. Sehen Sie hierzu auch das Erklärvideo oben im Artikel.

Autor: Dr. Markus Busuttil

Dr. Markus Busuttil ist Gründer und Geschäftsführer von Busuttil & Company. Er hat über 8 Jahre Erfahrung in der Beratung zur steuerlichen Forschungsförderung in Großbritannien gesammelt, darunter über 5 Jahre bei Deloitte. Er unterstützte Mandanten aus der Industrie sowie multinationale Gruppen und Private Equity Funds. Markus Busuttil studierte Maschinenbau in Hannover und Wales. Nach erfolgreichem Studienabschluss folgte die Promotion an einem kollaborativem Forschungszentrum zwischen der University of Birmingham und der Firma Rolls-Royce. Heute konzentriert sich sein Team aus Ingenieuren, Projektmanagern und Betriebswirten darauf, Kunden bei der Beantragung der Forschungszulage zu unterstützen.

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